Röhrichtgürtel am Bodensee auf Jahrzehnte hinaus geschädigt
Jetzt wächst es wieder – das Schilfrohr. Wer dieser Tage an das Bodensee-Ufer tritt, kann sehen, wie die jungen Schilfhalme zwischen den braunen, abgestorbenen Stängel des Vorjahres in die Höhe wachsen. Vergessen scheinen die dramatischen Bestandseinbrüche durch das Hochwasser von 1999. Doch der Schein trügt: Vor dem heutigen Schilfgürtel liegen breite Stoppelfelder als letzte Zeugen der ehemaligen Bestandsausdehnung. Die heutige Schilffront ist in zahllose Buchten, Schneisen und Halmgruppen aufgelöst, die dem Fachmann zeigen, wie sehr das Schilf in den vergangenen Jahren gelitten hat.
Neue Impulse für die Forschung und den Seeuferschutz versprechen sich die Wissenschaftler von der Tagung „Seeufer 2003“, die vom 19. bis 21. Juni von den Universitäten Konstanz und Hohenheim veranstaltet wird. Themen sind die ökologische und die sozioökonomische Bewertung, der Schutz und die nachhaltige Entwicklung von Seeufern. Die Tagung richtet sich an einen breiten Personenkreis aus den Fachgebieten Limnologie und Ökologie, Wasserwirtschaft, Naturschutz, Raumplanung und Tourismus-Forschung an Universitäten, staatlichen und privaten Forschungsinstitutionen und in Fachbehörden, Verbänden und Interessengruppen. Acht Fachleute aus England, den Niederlanden, der Schweiz und Deutschland sind für die Eröffnungsvorträge als Gastreferenten geladen; in vier Symposien sollen die Ergebnisse der Tagung vertieft und
später publiziert werden. In einer öffentlichen Abendveranstaltung informiert Dr. Heinz-Gerd Schröder (Institut für Seenforschung, Langenargen) über die internationale Kooperation im Gewässerschutz am Bodensee.
„Insgesamt sind allein am baden-württembergischen Ufer 30 Hektar Schilf abgestorben. Das entspricht fast 25 Prozent der ehemals 124 ha großen Bestände“ stellt Dr. Klaus Schmieder fest. Er ist Leiter des Forschungsprojektes „Auswirkungen des Extremhochwassers 1999 auf die Uferröhrichte des Bodensees“ an der Universität Hohenheim, in dem im Auftrag des Landes Baden-Württemberg die möglichen Langfristfolgen untersucht werden. Auch die Selbstreinigungskraft der Flachwasserzone dürfte betroffen sein, meint Schmieder. Die jährliche Biomasse-Produktion nahm um 44 Prozent ab, die durch den Biofilm besiedelbare Oberfläche ging um 47 Prozent zurück. Der Biofilm ist für den Abbau von organische Stoffen von Bedeutung und trägt damit zum Schutz der Freiwasserzone bei, aus der das Trinkwasser für zirka vier Millionen Menschen gewonnen wird. Zwar haben sich die höher gelegenen Schilflücken von 2000 bis 2002 weitgehend wieder geschlossen; die seeseitigen, tiefliegenden Absterbeflächen sind aber für viele Jahrzehnte verloren. „Wie lange sich die Regeneration des Schilfgürtels hinziehen kann, haben wir am Beispiel des Extremhochwassers von 1965 gesehen; die damaligen Röhrichtverluste waren bis zum Extremhochwasser 1999 noch nicht wieder vollständig nachgewachsen“. Durch die milderen Winter würde zudem der Wasserspiegel früher ansteigen. Das könnte eine seeseitige Ausbreitung der Bestände langfristig verhindern.
Nicht nur der Schilfrückgang bereitet den Limnologen Sorgen. „Eine ganze Reihe von Faktoren beeinträchtigen die ökologischen Funktionstüchtigkeit der Seeuferzone“, ergänzt Dr. Wolfgang Ostendorp vom Limnologischen Institut der Universität Konstanz, „von der Uferverbauung und dem Schiffsverkehr bis zur langsamen Veränderung des Wasserspiegels und zur Klimaerwärmung. Insgesamt wissen wir zu wenig darüber, wie sich diese Faktoren mittelfristig auswirken“.
Weitere Informationen und Tagungsanmeldung unter www.uni-konstanz.de/seeufer2003 und seeufer2000@uni-konstanz.de.
Kontaktadresse (nicht zur Veröffentlichung):
Dr. Klaus Schmieder
Institut für Landschafts- und Pflanzenökologie (320)
Universität Hohenheim
70593 Stuttgart
Telefon: 0711/459-3608
Telefax: 0711/459-2831
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