9. Handelsblatt-Gesundheitskongress: Health – Gesundheitswesen auf Reformkurs
Reformen allein genügen nicht, sie müssen auch finanzierbar sein. Neben der Bürgerversicherung ist eine Gesundheitsprämie, die pauschal pro Versicherter erhoben wird, im Gespräch. Auf der 9. Handelsblatt-Jahrestagung „Health“ (29./30. November 2004, Berlin) setzen rund 40 Experten der Gesundheitsbranche die Finanzierungsdebatte fort.Weitere Themen des etablierten Gesundheitskongress sind Integrierte Versorgung, Festbeträge, Medizinische Versorgungszentren, Vertragswettbewerb und -verhandlungen sowie die Möglichkeiten, die sich für GKV und PKV durch neue Kooperationsmodelle ergeben.
Horst Seehofer (CDU/CSU-Fraktion), Gudrun Schaich-Walch (SPD-Fraktion) und Detlef Parr (FDP-Fraktion) diskutieren, welche Wege aus der Finanzkrise führen. Für das von Professor Dr. Bert Rürup vorgeschlagene Pauschalprämienmodell sieht Seehofer keine politische Machbarkeit, da schon jetzt Steuermittel für Investitionen fehlten. Die FDP beklagt, dass, anders als die Bürgerversicherung, die Kopfpauschale zwar in die richtige Richtung gehe, aber auf halbem Wege stehen bleibe. Sie verhindere einen echten Wettbewerb und gebe keine befriedigende Antwort auf eines der drängendsten Probleme, nämlich die Alterung der Bevölkerung. Ohne finanzielle Reserven zur Abfederung der besonderen Belastungen ab dem Jahr 2020 werde kein Gesundheitssystem um eine gesetzliche Rationierung herum kommen.
Schaich-Walch machte auf der Sitzung des Deutschen Bundestages am 7. September 2004 ihren Standpunkt deutlich: „Wir werden den Menschen erklären müssen, dass wir eine gute Gesundheitsversorgung in diesem Land nur dann sicherstellen können, wenn wir nicht das gesundheitliche Risiko privatisieren, sondern wenn wir bei der solidarischen Krankenversicherung in diesem Lande bleiben. Es muss weiterhin gelten, dass Junge für Alte, Gesunde für Kranke, Singles für Familien und Gutverdienende für Schlechterverdienende einstehen. Ich hoffe, dass in der Zukunft nicht nur ein Teil unserer Gesellschaft füreinander einsteht, sondern dass in der Zukunft alle für alle in dieser Gesellschaft einstehen.“ (Quelle: Sitzungsprotokoll 9.9.2004). Dr. Ursula Engelen-Kefer, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, plädiert für Wettbewerb statt Umverteilung und stellt in ihrem Vortrag die Merkmale eines solchen Qualitätswettbewerbs vor: effektiv, effizient und gerecht.
Um mehr Qualität und bessere Informationen für Patienten geht es Prof. Dr. Peter Sawicki, Direktor des neu gegründeten Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. In seinem Vortrag geht der Mediziner auf die Zusammenarbeit zwischen der Pharmaindustrie und den Kostenträgern ein und erläutert, welche Rolle die Empfehlungen des Instituts spielen werden. Zu den Aufgaben der Einrichtung gehört eine bessere Aufklärung der Patienten über medizinische Fragen. Dazu zählen die Beurteilung von Diagnose- und Behandlungsmethoden und die Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln. Das Institut wird Anfang 2005 seine Arbeit aufnehmen.
Über das Konzept der Medizinischen Versorgungszentren spricht Dr. Thomas-F. Gardain (Ärztlicher Leiter, Klinik Saarbrücken). Er stellt den Aufbau eines solchen Zentrums vor und erläutert die spezifischen Leistungen. Gardain sieht diese Zentren als Teil der Integrierten Versorgung und zieht folgendes Fazit: „Ärzte, Pfleger und Management sollen die Chancen der Integrierten Versorgung nutzen. Integrierte Versorgung ist durchaus ein Weg zur Standortaufwertung und zur Existenzsicherung.“
Das Thema Festbeträge geht Erich Dambacher, Leiter Verkauf und Gesundheitspolitik, Aventis Pharma Deutschland, an. Festbeträge sind in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Höchstpreise für bestimmte Arzneimittel: Übersteigt der Preis des Arzneimittels den Festbetrag, muss der Versicherte die Mehrkosten selber tragen. Das Festbetragssystem ist mit dem Gesundheitsreform-Gesetz eingeführt worden, um dem expansiven Anstieg der Arzneimittelausgaben durch einen intensivierten Preiswettbewerb zu begegnen. Dambacher stellt die Reaktionen der Industrie vor, spricht über den grauen Markt und erläutert die Probleme der Vergleichsgrößenberechnung.
Haus- und Fachärzte sollen künftig mehr Möglichkeiten bekommen, mit Kollegen derselben oder einer anderen Fachrichtung zu kooperieren. Die Positionierung der Ärzte im daraus entstehenden Vertragswettbewerb ist Thema des Vortrags von Dr. Leonhard Hansen (Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein). Die Vertragsverhandlungen sieht Wolfgang Schäfer als Managementaufgabe an. Der Vorsitzende der Geschäftsführung von Vivantes liefert zahlreiche Praxisbeispiele für sektorübergreifende Verträge und geht auf die Co-Existenz von Kollektiv- und Einzelverträgen ein.
Auch in diesem Jahr werden wieder zahlreiche Interaktive Round Table Sessions angeboten. In den Gesprächsrunden haben die Teilnehmer Gelegenheit, mit Experten der Branche, aber auch untereinander die aktuellen Themen des Gesundheitswesens zu diskutieren. Zur Auswahl stehen unter anderem: Arzneimittelvertrieb: Kooperationen im Apotheken-Sektor, Folgen der Einführung der DRGs und die Gesundheitskarte zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Das vollständige Programm ist im Internet abrufbar unter: http://vhb.handelsblatt.com/health
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