Weltraumforscher ziehen CRISTA-Bilanz
Eine Bestandsaufnahme des 26 Mio. Euro schweren Weltraumforschungsprojekts CRISTA steht kommende Woche (10./11. Januar) im Mittelpunkt einer wissenschaftlichen Konferenz der Arbeitsgruppe Weltraumforschung der Bergischen Universität Wuppertal gemeinsam mit dem Forschungszentrum Jülich, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, dem Deutschen Fernerkundungs-Datenzentrum und dem Deutschen Wetterdienst.
Die Tagung in Wuppertal dient der Bestandsaufnahme des bisher Erreichten und der Vorbereitung künftiger Arbeiten. Anlass der Weltraumkonferenz ist das 10jährige „Jubiläum“ des ersten CRISTA-Fluges mit dem Space Shuttle „Atlantis“ der NASA am 3. November 1994. Einschließlich des zweiten Fluges im August 1997 mit dem Spaceshuttle „Discovery“ (beide Missionen erfolgten in einem Satelliten der früheren Deutschen Aerospace, heute Astrium) hat das CRISTA-Gerät eine Riesen-Datenmenge geliefert, obwohl die Flüge des Spaceshuttle jeweils nur eine knappe Woche dauerten.
Auswertung und Veröffentlichung dieser Daten sind noch längst nicht abgeschlossen. Bisher gab es bereits mehr als 120 Beiträge in wissenschaftlichen Fachzeitschriften und zehn in populärwissenschaftlichen Periodika. CRISTA hat insgesamt rund 26 Mio. Euro gekostet und wurde überwiegend aus Bundesmitteln finanziert. Die Atmosphären-Tagung wird gemeinsam mit dem Forschungszentrum Jülich (Prof. Dr. Martin Riese, Institut für Chemie und Dynamik der Geosphäre), dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR (Priv. Doz. Dr. Michael Bittner), dem Deutschen Fernerkundungs-Datenzentrum DFD (Oberpfaffenhofen) und dem Deutschen Wetterdienst DWD (Dr. Peter Winkler, Meteorologisches Observatorium Hohenpeißenberg) veranstaltet. Die vier Institutionen kooperieren bei der Erforschung der mittleren Erdatmosphäre (10 bis 100 km).
Die CRISTA-Ergebnisse zeichnen sich durch eine große Vielfalt der Themen aus. Gelegentlich war das Gerät als „Hans-Dampf-in-allen-Gassen“ bezeichnet worden, was die Wuppertaler Weltraumforscher als großes Kompliment auffassten. Mehrere Beiträge beschäftigen sich mit dem Ozon- und Klima-Problem. Die wichtigsten CRISTA-Ergebnisse liegen aber auf dem Gebiet der so genannten Atmosphärendynamik, die sich mit Windsystemen, Wellenbewegungen und Turbulenzen befasst. Alle genannten Phänomene führen zu Transporten von Luftmassen in der Atmosphäre, die nicht nur in Bodennähe sehr wichtig sind. Beispielsweise ist das Ozon in der mittleren Atmosphäre nicht dort am dichtesten, wo es erzeugt wird (Tropen), weil es nämlich von dort wegtransportiert wird. Hier weitere Beispiele:
Die Tropopause, also die Oberkante der Wolken in ca. 15 Kilometern Höhe, spielt beim Klimaproblem eine wichtige Rolle. Hier wurde die Turbulenz der Atmosphäre gemessen, die u.a. für die Ausbreitung von Spurengasen (Schadstoffen) wichtig ist. Ein Ergebnis: Es wurden ca. 500 Prozent mehr Turbulenz festgestellt als bisher angenommen. Schwerewellen, eine von vielen Sorten von Wellen in der Atmosphäre (ähnlich wie im Ozean), beschleunigen oder bremsen die Winde im Höhenbereich 10 – 100 km; CRISTA hat erstmals diese Beschleunigungen quantitativ nachgewiesen. Beim Ozonverlust spielen Wolken eine entscheidende Rolle. CRISTA hat solche Wolken (Polarwirbel, Gebiet des Ozonlochs) erstmals ihrer Größe nach bzw. ihre zeitliche Entwicklung bestimmt. Vom Satelliten aus konnte erstmals ein bestimmter Wolkentyp eindeutig identifiziert werden. In Stratosphäre und Mesosphäre (20 – 80 km) konnten erstmals Rauchfahnen-ähnliche Spurengas-Verteilungen und ihre zeitliche Entwicklung nachgewiesen werden. Dies ist für das Verständnis des Transports – auch des Ozons – besonders wichtig.
In der oberen Mesosphäre (70 – 100 km) sind Infrarotmessungen schwierig, weil die Luft sehr dünn ist. Die Messungen sind aber umso wichtiger, weil dieser Höhenbereich Rückschlüsse auf die unterste Atmosphäre und so einen Beitrag zum Klimaproblem erlaubt. Erstmals wurden mit CRISTA Messungen der Temperatur und der Spurengase Kohlenmonoxid und Kohlendioxid durchgeführt.
Wie im Ozean gibt es auch in der Atmosphäre Gezeiten, und zwar vor allem in der Mesosphäre (50 – 100 km), die alle Verteilungen von Temperatur, Wind und Spurengasen bestimmen. Diese Wellen wurden erstmals von CRISTA mit höchster räumlicher Auflösung gemessen; dabei konnte ein bisher kaum bekannter Wellentyp nachgewiesen werden. In der mittleren Erdatmosphäre (20 – 50 km) gibt es – wie an Meeresufern – Brandungszonen mit wichtigen Einflüssen auf die Spurengasverteilung, auch des Ozons. CRISTA hat erstmals eine Brandung auch in der oberen Atmosphäre (60 – 90 km) nachgewiesen und detailliert untersucht.
Das CRISTA-Gerät ist für solche Messungen besonders gut geeignet. Sein „räumliches Auflösungsvermögen“ ist enorm, weil die Feinheit des Rasters seiner Messpunkt erheblich größer ist als bei allen anderen früheren und selbst den gegenwärtigen Satellitengeräten. Ein Gerät mit vergleichbaren Leistungen wurde von der US-Weltraumbehörde NASA im Juli 2004 gestartet, funktioniert aber bisher nicht. Der Grund für die Überlegenheit von CRISTA ist einerseits die Tiefkühlung (auf minus 270° Celsius) aller optischen Komponenten und andererseits die Verwendung von drei Infrarot-Teleskopen anstelle von nur einem Teleskop bei anderen Satelliten. CRISTA wurde nach seinen Flügen vom Space Shuttle zur Erde zurückgebracht und ist inzwischen im Deutschen Museum in München aufgestellt worden. Seit Mitte Dezember 2004 ist es dort der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Die künftigen Arbeiten des genannten Institutsverbunds – mehrere Wissenschaftler aus diesen Gruppen haben ihre wissenschaftliche Laufbahn in Wuppertal begonnen – haben zwei Schwerpunkte: Zum einen wird in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Jülich ein (verkleinerter) Nachbau von CRISTA gebaut („CRISTA-NF“), der auf dem russischen Höhenforschungs-flugzeug GEOPHYSICA im Rahmen des EU-Forschungsprogramms SCOUT im Laufe des Jahres eingesetzt werden soll. Es sind vor allem Messungen in den Tropen und im Tropopausenbereich (bis 20 km Höhe) vorgesehen.
Zum anderen betreiben die Wuppertaler Atmosphärenforscher bereits seit 1980 ein Infrarot-Gerät, das jede Nacht vom Boden aus die Atmosphärentemperatur in 87 km Höhe misst, das so genannte GRIPS-Gerät (Ground based Infrared P-Band Spectrometer). Diese Messungen zeigen, dass sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten in der mittleren Atmosphäre ein deutlicher Klimawandel vollzogen hat. Die Wuppertaler Messungen werden seit mehr als einem Jahr durch ein weiteres GRIPS-Gerät ergänzt, das im Observatorium Hohenpeißenberg des Deutschen Wetterdienstes aufgestellt wurde. GRIPS 3, in Wuppertal gebaut, soll in Kürze im Schneefernerhaus auf der Zugspitze in Betrieb genommen werden (durch DLR). Von dem GRIPS-Messnetz werden u.a. wichtige Informationen über Wellen in der Atmosphäre erwartet.
Kontakt:
Prof. Dr. Dirk Offermann, Prof. Dr. Klaus-Ulrich Großmann
Telefon 0202/439-2604, 439-2603
Prof. Dr. Martin Riese
m.riese@fz-juelich.de
Priv. Doz. Dr. Michael Bittner
michael.bittner@dlr.de
Dr. Peter Winkler
peter.winkler@dwd.de
Weitere Informationen:
http://www.crista.de
http://www.grips.uni-wuppertal.de
http://www.fz-juelich.de/icg/icg-i/icg1_d.html
http://www.dlr.de
http://www.dwd.de
Media Contact
Weitere Informationen:
http://www.uni-wuppertal.deAlle Nachrichten aus der Kategorie: Veranstaltungsnachrichten
Neueste Beiträge
Lichtmikroskopie: Computermodell ermöglicht bessere Bilder
Neue Deep-Learning-Architektur sorgt für höhere Effizienz. Die Lichtmikroskopie ist ein unverzichtbares Werkzeug zur Untersuchung unterschiedlichster Proben. Details werden dabei erst mit Hilfe der computergestützten Bildverarbeitung sichtbar. Obwohl bereits enorme Fortschritte…
Neue Maßstäbe in der Filtertechnik
Aerosolabscheider „MiniMax“ überzeugt mit herausragender Leistung und Effizienz. Angesichts wachsender gesetzlicher und industrieller Anforderungen ist die Entwicklung effizienter Abgasreinigungstechnologien sehr wichtig. Besonders in technischen Prozessen steigt der Bedarf an innovativen…
SpecPlate: Besserer Standard für die Laboranalytik
Mehr Effizienz, Tempo und Präzision bei Laboranalysen sowie ein drastisch reduzierter Materialverbrauch: Mit der SpecPlate ersetzt das Spin-off PHABIOC aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) durch innovatives Design gleich…