Hüftprothese: Minimalinvasiv oder klassisch implantieren? Implantatmodell wichtiger als OP-Methode
Für die Implantation ihres künstlichen Hüftgelenks wünschen sich viele Patienten eine minimalinvasive Operation (MIS): Das ist ein Eingriff, der nur kleinstmögliche Schnitte in Haut und Weichteilen vorsieht.
Tatsächlich belegen bislang vorliegende Studien Vorteile, vor allem in den ersten sechs Wochen nach der Operation. Durch das Schonen von Muskeln, Sehnen und nervalen Strukturen leiden die Patienten weniger an Schmerzen und Bewegungseinschränkungen und kommen dadurch schneller wieder auf die Beine.
Doch nicht jede Prothese eignet sich für eine minimalinvasive Implantation. Da nach derzeitigem Kenntnisstand das Implantatmodell eine größere Rolle für ein gutes Langzeitergebnis spielt als die OP-Methode, rät die AE Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V., der Wahl des optimal geeigneten Implantats den Vorrang vor der OP-Methode zu geben.
Auf der Pressekonferenz der AE am 29. November 2018 in Berlin gibt die Fachgesellschaft einen Überblick über den State of the Art von MIS. Dabei erläutern die Experten auch, für welche Patienten die Methode in Frage kommt.
Auch in der Endoprothetik stellt der minimalinvasive Zugang seit vielen Jahren eine Alternative zu den „traditionellen“ Zugängen dar. Die Vorteile für den Patienten sind dabei vornehmlich das geringere Muskeltrauma und der kleinere Schnitt, so dass die Heilung zügiger verlaufen und der Patient dementsprechend früher mit der Rehabilitation beginnen kann.
Doch die minimalinvasive Hüft-OP ist nicht für jeden Patienten geeignet: „Die Hüftgelenksgeometrie muss passen, der Patient sollte nicht zu kräftig bemuskelt und auch nicht zu adipös sein“, erläutert Professor Dr. med. Dieter C. Wirtz, Mitglied des AE-Präsidiums.
Zudem kommen, je nach den individuellen Voraussetzungen des Patienten, unterschiedlich geformte Prothesenmodelle zum Einsatz. Nicht alle von ihnen können durch einen minimalinvasiven Zugang – und mit der damit verbundenen eingeschränkten Sicht – implantiert werden: „Die einzelnen Operationsschritte mit der notwendigen Sorgfalt durchführen zu können, hat immer Vorrang“, betont Wirtz, der Ärztlicher Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Bonn ist.
Bei MIS nutzen Operateure die natürlichen Lücken zwischen den Muskeln, um zum Hüftgelenk zu gelangen: „Wir schieben Muskeln, Sehnen, Gefäße und Nerven weitestmöglich zur Seite, anstatt sie, wie sonst üblich, zu durchtrennen und nachher wieder zu vernähen“, erläutert er.
Dies schone auch wichtige Nervenrezeptoren, die am Sehnen-Knochen- sowie am Sehnen-Muskel-Übergang sitzen. „Die sogenannten Mechanorezeptoren sorgen für die Tiefensensibilität und damit für Gangstabilität und Gleichgewichtsgefühl“, so Wirtz. „Bleiben diese Strukturen bei der Prothesenimplantation intakt, können die Patienten nach dem Eingriff früher mit ihrer Rehabilitation beginnen.“ Nach spätestens einem Jahr jedoch zeigen Untersuchungen keine Unterschiede mehr zwischen MIS und klassisch offenem Eingriff.
Daher gilt: Bei allen Patienten, bei denen aufgrund ihrer individuellen Voraussetzungen ein minimalinvasiver und damit muskelschonender Zugang gewählt werden könne, sollte dieser auch angewendet werden, so der Orthopäde.
Übergeordnetes Ziel sei aber der Langzeiterfolg bei einer Hüftprothese. Wo dieser eher mittels eines klassischen Zugangs gewährleistet sei, empfiehlt Wirtz, diesen vorzuziehen. Und ganz gleich, ob klassisch oder minimalinvasiv operiert werde: „Das Ziel eines jeden Operateurs sollte es sein, so gewebeschonend wie möglich zu operieren“, bekräftigt Wirtz.
Unter welchen Voraussetzungen ein minimalinvasives Vorgehen bei der Implantation eines künstlichen Hüftgelenks möglich ist, worauf Patienten bei der Wahl ihres Krankenhauses achten sollten und welchen weiteren Forschungsbedarf es noch gibt, sind Themen auf der Pressekonferenz der AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. am 29. November 2018 in Berlin.
Quellen:
Schmolders J., Gravius S., Wirtz D. C.: Stellenwert minimalinvasiver Zugangswege bei der primären Hüftendoprothetik – ein Update
Z Orthop Unfall 2014; 152: 120–129
DOI 10.1055/s-0033-1360350
Schmolders J., Wirtz D.C.: Offene Standardzugänge zum Hüftgelenk. In: Wirtz D.C., Stöckle U.: Hüfte – Expertise Orthopädie und Unfallchirurgie, Thieme Verlag, Stuttgart, 2018
Die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. verfolgt als unabhängiger Verein seit 1996 das Ziel, die Lebensqualität von Patienten mit Gelenkerkrankungen und -verletzungen nachhaltig zu verbessern und deren Mobilität wieder herzustellen. Mit ihren Expertenteams aus führenden Orthopäden und Unfallchirurgen organisiert sie die Fortbildung von Ärzten und OP-Personal, entwickelt Patienteninformationen und fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs. Die AE ist eine Sektion der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie.
Terminhinweis:
Pressekonferenz der
Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE) anlässlich des
20. AE-Kongresses vom 7. bis 8. Dezember 2018 in Düsseldorf
„Endoprothetik auf der Suche nach Perfektion“
Termin: Donnerstag, 29. November 2018, 11.00 bis 12.00 Uhr
Ort: Tagungszentrum im Haus der Bundespressekonferenz, Raum 4
Adresse: Schiffbauerdamm 40/Ecke Reinhardtstraße 55, 10117 Berlin
Ihre vorläufigen Themen und Referenten sind:
Sportlich aktiv mit Hüftprothese – bessere Implantatmaterialien machen mehr mit: Was für wen in Frage kommt
Professor Dr. med. Karl-Dieter Heller, Generalsekretär der AE, Chefarzt, Herzogin Elisabeth Hospital, Orthopädische Klinik Braunschweig
Schneller wieder auf den Beinen: „Fast Track“ in der Endoprothetik – State of the Art
Professor Dr. med. Karl-Dieter Heller, Generalsekretär der AE, Chefarzt, Herzogin Elisabeth Hospital, Orthopädische Klinik Braunschweig
Update 10 Jahre minimalinvasive Hüftendoprothetik: Was bringt sie? Aktuelle Studienergebnisse
Professor Dr. med. Dieter C. Wirtz, Mitglied des AE-Präsidiums, Ärztlicher Direktor, Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Bonn
Nicht immer einfach: Wechsel-OPs von Hüftprothesen
Worauf es wirklich ankommt und was jeder Patient wissen sollte
Professor Dr. med. Florian Gebhard, Präsident der AE, Ärztlicher Direktor, Zentrum für Chirurgie, Klinik für Unfallchirurgie, Hand-, Plastische und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Ulm
Die Knieprothese von morgen: Wo geht die Reise hin?
Universitäts-Professor Dr. med. Henning Windhagen, Pastpräsident der AE, Ärztlicher Direktor, DIAKOVERE Annastift, Orthopädische Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)
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