Immer schneller und effektiver – Next Generation Sequencing

Immer mehr Gene müssen für die zuverlässige Diagnose von Krebserkrankungen und die Entscheidung für die bestmögliche Therapie untersucht werden. Hohes Potenzial bietet hier das Verfahren des relativ jungen Next Generation Sequencing (NGS).

„Seit etwa 15 Jahren spielt die molekular-pathologische Untersuchung von Genveränderungen bei der Tumorbehandlung eine zunehmende Rolle in der Medizin“, erklärt Prof. Dr. med. Florian Haller, Professor für Diagnostische Molekularpathologie am Universitätsklinikum Erlangen.

„Anfangs standen lediglich Genfragmente oder einzelne Gene im Fokus. Seit wenigen Jahren eröffnen sich mit den NGS-Technologien jedoch immer mehr Chancen, zahlreiche Gene gleichzeitig immer genauer auf Mutationen untersuchen zu können. Dabei verbessert sich die Methodik fortlaufend innerhalb weniger Monate, so dass diese Verfahren aus der Praxis nicht mehr wegzudenken sind. Wir am Universitätsklinikum arbeiten derzeit mit Panels, die bis zu 160 Gene umfassen.“

Lungenkarzinom – bis zu 30 Gene können von einer Mutation betroffen sein

Die Wissenschaft liefert in hoher Taktgeschwindigkeit Informationen, welche Gene bei der Entstehung und Entwicklung von Karzinomen eine Rolle spielen. „Zu den am besten untersuchten Karzinomarten gehört inzwischen das Lungenkarzinom“, so Prof. Haller. „Beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom können 30 verschiedene Gene mutiert sein, so etwa die Gene EGFR-, KRAS-, BRAF- oder ALK. Bei dem einzelnen Patienten ist in der Regel jedoch nur ein einzelnes dieser Gene betroffen.

Mit Hilfe der NGS-Untersuchungen können wir das gesamte Spektrum der relevanten Gene in einem Arbeitsvorgang analysieren. Die Vorteile liegen auf der Hand: Wir sparen mit dieser Methode Zeit sowie Geld. Für den Patienten hat dies den Vorteil, dass wir immer schneller verlässliche molekular-pathologische Diagnosen für eine primäre oder eine sekundäre Behandlung stellen können.“

Die Handhabung der Methode ist, wenn einmal im Labor etabliert, relativ einfach, die Auswertung und insbesondere die klinische Interpretation der Ergebnisse dagegen zunehmend komplex und anspruchsvoll.

„Die Kooperation von unterschiedlichen Spezialisten ist bei der Interpretation der mittels NGS diagnostizierten Genmutationen unerlässlich, insbesondere wenn es sich um große Genpanels handelt. In unserem Molekularen Tumorboard am Universitätsklinikum Erlangen berät ein interdisziplinäres Team, ob die gefundenen Mutationen in einem Tumor für den Patienten eine spezielle Therapie ermöglichen. Hier kommen Vertreter der Pathologe, Humangenetik, Onkologie, Strahlentherapie und verschiedener operativer Fächer zusammen, um für jeden Patienten die bestmögliche Therapie zu identifizieren“, betont der Experte.

NGS – Hoffnung auf individualisierte Therapie

In schwierigen Fällen kann das Next Generation Sequencing innovative Behandlungswege eröffnen. Manchen Patienten mit Rezidiven, bei denen nach dem heutigen Wissen alle Behandlungen ausgeschöpft sind, bleibt oft nur eine wiederholte Chemotherapie. „Mit Hilfe der NGS können wir das Tumorgewebe dieser Patienten auf Mutationen untersuchen. Wenn wir Veränderungen in bestimmten Genen feststellen, können wir eventuell jüngst entwickelte Medikamente einsetzen, die sich bei anderen Tumorarten bewährt haben“, so der Pathologe.

„Um dies an einem Beispiel zu erläutern: Bei einem Teil der Ovarialkarzinome spielen Mutationen des BRCA1- oder BRCA2-Gens eine wichtige Rolle. Seit Ende 2014 verfügen wir über einen neuen Wirkstoff, der als sogenannter PARP-Inhibitor, vereinfacht ausgedrückt, den Zelltod der Krebszellen herbeiführt, wenn eine BRCA-Mutation im Tumor vorliegt. Es gibt verschiedene andere Tumorarten, die ebenfalls BRCA-Mutationen aufweisen. Wenn wir also beispielsweise bei einem Patienten mit Prostatakarzinom eine BRCA-Mutation feststellen, können wir diesen Wirkstoff einsetzen und auf vergleichbare Reaktionen hoffen wie bei den Ovarialkarzinom-Patientinnen.“

Hohe Sensitivität bei geringer Anzahl von Tumorzellen

Ein weiterer Vorteil ist die hohe Sensitivität des Verfahrens. Selbst bei einer geringen Anzahl von Tumorzellen in einer Gewebeprobe liefert das NGS verlässliche Ergebnisse. Dies macht das Verfahren so effektiv im Bereich der ebenfalls innovativen Liquid Biopsy-Methode. Hierbei wird in Blut die zirkulierende freie DNA von Tumorzellen untersucht.

Die Typisierung von Tumoren per Liquid Biopsy ist besonders in den Fällen von Vorteil, in denen Gewebeproben nur schwer zu entnehmen sind, weil sie kaum zugänglich sind. Die Methode kann dem Patienten auch wiederholte Biopsien ersparen, was insbesondere beim Monitoring eines Krankheitsverlaufs unter einer zielgerichteten Therapie vorteilhaft ist.

Diskussion und Erfahrungsaustausch auf der DGP-Jahrestagung

„Das Next Generation Sequencing ist eine molekulare Methode, die derzeit an etwa 30 Standorten in Deutschland angeboten wird“, weiß Prof. Haller. „Ziel ist es, dieses Verfahren in hoher Qualität in die breite Fläche zu bringen. Sie ergänzt auf hoch effektive Weise die klassische histologische Untersuchung. Zusammen bilden beide Methoden ein optimales Tandem für eine hohe Diagnosesicherheit und profunde Therapieempfehlung.“

Bisherige Erfahrungen mit der Next Generation Sequencing und Herausforderungen für die Zukunft zum Beispiel im Bereich der Qualitätssicherung sind Themen im wissenschaftlichen Programm auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pathologie e.V. (DGP). Zur Diskussion laden Vertreter aus Kompetenzzentren in Berlin, Köln, Erlangen, Freiburg, Aachen, Heidelberg und München ein. Die Tagung findet vom 22. bis 24. Juni 2017 in Erlangen statt.

Weitere Informationen unter www.pathologie-dgp.de

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Dipl.-Pol. Jörg Maas idw - Informationsdienst Wissenschaft

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