Kalikokrebse: Großes Interesse an erster Fachtagung
Das Interesse an der ersten Fachtagung zur hochinvasiven Tierart Kalikokrebs ist groß. Über 180 Vertreterinnen und Vertreter von Behörden, Naturschutzverbänden und Planungsbüros sowie aus Wissenschaft und Politik kommen am 7. Dezember an die Pädagogische Hochschule Karlsruhe, um sich über die Biologie des Kalikokrebses (Faxonius immunis), die Auswirkungen der Tierart auf Lebewesen in Kleingewässern sowie über Chancen für das Management der Tierart zu informieren.
Gefahr für biologische Vielfalt
Staatssekretär Andre Baumann (Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg) betonte in seinem Grußwort: „Invasive Arten wie der Kalikokrebs können die Biologische Vielfalt im Land gefährden. Alleine diese Art ist in der Lage, alle Auenökosysteme entlang des Rheins regelrecht zu vernichten. Ich freue mich, dass die Stiftung Naturschutzfonds das Forschungsprojekt zum Management des invasiven Kalikokrebses fördert. Speziell zum Schutz der Biologischen Vielfalt gegen ähnlich aggressive invasive Arten haben wir die Regierungspräsidien personell gestärkt. Der beste Schutz unserer Natur vor invasiven Arten ist ein umfassender Naturschutz. Das Immunsystem unserer Natur ist so stark geschwächt, dass Kalikokrebs, Staudenknöterich, Ochsenfrosch und andere invasive Arten verheerend wirken.“ Der Kalikokrebs hat sich über den gesamten Oberrhein bis nach Hessen ausgebreitet und „stellt regional eine der größten Bedrohungen für die Biodiversität heimischer Gewässer dar“, sagt Prof. Dr. Andreas Martens, Leiter des Instituts für Biologie und Schulgartenentwicklung.
Auf dem Programm der Fachtagung stehen Vorträge von Fachreferenten, die Impulse setzen für fachlichen Austausch und Anregungen geben für die Naturschutzarbeit. Erstmals in den Blick genommen werden dabei auch die bioethischen Aspekte des Managements von Flusskrebsen. Außerdem können die Tagungsteilnehmer und -teilnehmerinnen bei einer Exkursion das Projektgebiet in Rheinstetten in Augenschein nehmen, in dem Wissenschaftler des Instituts für Biologie und Schulgartenentwicklung Maßnahmen testen, um Gewässer vor der Besiedlung durch den Krebs schützen. Entwickelt worden sind sie im Rahmen ihres Forschungsprojekts „Management des invasiven Kalikokrebses zum Schutz von Amphibien und Libellen in Kleingewässern“.
Kalikokrebs in EU-Liste invasiver gebietsfremder Arten aufnehmen
„Da der Kalikokrebs bei uns in Mitteleuropa kein natürliches Gegenstück hat, kann ein einzelnes Krebsweibchen mit durchschnittlich 250 Nachkommen leicht der Ursprung eines Massenvorkommens werden“, erläutert Prof. Dr. Martens. Und weiter: „Kalikokrebse dürfen auf keinen Fall weiterverbreitet werden, denn sie vernichten schützenswerte Amphibien und verbreiten den Erreger der Krebspest, ohne selbst daran ernsthaft zu erkranken“, so der Wissenschaftler. Außerdem plädieren Prof. Dr. Martens und seine Kollegen am Institut für Biologie und Schulgartenentwicklung dafür, den Kalikokrebs in die EU-Liste invasiver gebietsfremder Arten aufzunehmen.
„Wir freuen uns sehr, dass die Fachtagung solch enormes Interesse findet. Der hohe Zuspruch zeigt, dass unsere wissenschaftliche Expertise auf diesem Gebiet geschätzt wird“, sagt Alexander Herrmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Biologie und Schulgartenentwicklung. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen vor allem aus Baden-Württemberg, aus Rheinland-Pfalz und Hessen, aber auch aus Bayern, Nordrhein-Westfalen und aus der Schweiz“, so der Biologe. Herrmann begrüßt es sehr, dass sich auch Vertreter der Fischerei angemeldet haben.
Bioethische Aspekte
Mit den bioethischen Aspekten des Managements von Flusskrebsen und anderen Neobiota beschäftigt sich der Philosophiewissenschaftler Prof. Dr. Klaus Peter Rippe, Rektor der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und Präsident der „Eidgenössischen Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich“. Laut Prof. Rippe ist – angesichts der Schwierigkeit zu begründen, dass und, wenn ja, wann der Natur selbst geschadet wird – der ökonomische und relationale Wert der biologischen Vielfalt verbleibender Rechtfertigungsgrund für die Beseitigung von Populationen gebietsfremder Tiere.
Die grundlegende Frage sei jedoch, ob tierisches Leid oder die Tötung von Tieren moralisch relevant sind. Dann aber reichen die beiden Gründe laut Prof. Dr. Rippe nicht aus. Er hält es für sinnvoll, „Moral als gesellschaftliches Instrument zu sehen, das bestimmte Interessen schützt“. Auch tierische Interessen. Die Tötung wäre in diesem Fall zulässig bzw. zu entschuldigen, „wenn höher gewichtige moralische Pflichten dies rechtfertigen“. Rechtlich, so Rippe, sei im Einzelfall oder für Falltypen eine Güterabwägung erforderlich. Wobei der Schutz der Ressourcen der natürlichen Vielfalt ein stärkeres Argument biete als der Schutz einheimischer Arten.
Zum Programm der Fachtagung
Insgesamt acht Vorträge stehen auf dem Programm der Fachtagung. So geht Dr. Stefan Nehring vom Bundesamt für Naturschutz auf die Frage ein, ob Recht und Gesetz invasive Arten stoppen können. Einen Faktencheck zum „Killerkrebs“ liefert Dr. Christoph Chucoll (Eco Surv) und über den Kalikokrebs als Überträger der Krebspest informiert Dr. Anne Schrimpf von der Universität Koblenz-Landau.
Prof. Dr. Andreas Martens, Leiter des Instituts für Biologie und Schulgartenentwicklung an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe, spricht über die Biologie und aktuelle Ausbreitung des Kalikokrebses sowie über Fehlschläge und Erfolge beim Management. Fallstudien zum Einfluss des Kalikokrebses auf die Tierwelt in Kleingewässern stellt Andreas Stephan, Mitarbeiter des Forschungsprojekts am Institut für Biologie und Schulgartenentwicklung, vor und sein Kollege Alexander Herrmann informiert zur Phänologie der Überlandwanderung des Kalikokrebses. Thema des Vortrags von Prof. Dr. Klaus Peter Rippe, Rektor der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe, sind „Bioethische Aspekte des Managements von Flusskrebsen und anderen Neobiota“.
Über das Forschungsprojekt „Management des invasiven Kalikokrebses zum Schutz von Amphibien und Libellen in Kleingewässern“
Die Bestände des hochinvasiven Kalikokrebses in Kleingewässern am Oberrhein nachhaltig zu reduzieren, ist Ziel des Forschungsprojekts „Management des invasiven Kalikokrebses zum Schutz von Amphibien und Libellen in Kleingewässern“ am Institut für Biologie und Schulgartenentwicklung der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe.
Biologen des Instituts entwickeln nachhaltige Maßnahmen, um Amphibien wie Kleinfische und Libellen langfristig zu schützen sowie Konzepte zur Anlage von Kleingewässern zu entwickeln, die vor der Besiedelung durch den Kalikokrebs geschützt sind. Dazu zählen etwa Baumstammbarrieren, die nur Kalikokrebse nicht überwinden können, sowie Ufer-Verkiesungen. Letztere verhindern, dass die Krebse Gänge bauen, in denen sie sogar das Austrocknen der Gewässer überleben. Außerdem kommen Lochsteine zum Einsatz, mit denen die Krebse zwecks Monitoring amphibienschonend gefangen werden können. Die Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg fördert das zweijährige Forschungsprojekt mit rund 110.000 Euro aus Erträgen der Glücksspirale. Das Regierungspräsidium Karlsruhe ist mit dem Referat 56 Naturschutz und Landschaftspflege maßgeblich fachlich eingebunden und unterstützt die Arbeit der Gruppe.
Hintergrundinformationen zum Kalikokrebs
Der aus Nordamerika stammende Kalikokrebs hat sich am Oberrhein seit 1993 dramatisch ausgebreitet. Anders als der Kamberkrebs, der Signalkrebs, der Rote Amerikanische Sumpfkrebs und der Marmorkrebs steht der Kalikokrebs bisher nicht auf der EU-Liste invasiver gebietsfremder Arten. Kalikokrebse können in Kleingewässern hohe Dichten aufbauen und sind damit eine besondere Bedrohung für gefährdete Amphibien und Libellenarten. Kalikokrebse erreichen eine Gesamtlänge von circa 8 bis 9 Zentimetern.
Mit etwa 5 Zentimetern werden sie geschlechtsreif. Unter unseren klimatischen Bedingungen schlüpft die Brut im späten Frühjahr, zumindest ein großer Teil der Krebse kann bereits im ersten Jahr geschlechtsreif werden. Mit bis zu 495 Eiern pro Weibchen (Durchschnitt: 250) haben Kalikokrebse eine hohe Fortpflanzungsrate und können Massenbestände mit 15 Krebsen pro Quadratmeter Wasserfläche entwickeln.
Kalikokrebse gehen über Land und besiedeln so auch isolierte Gewässer, im Frühjahr wandern selbst die Eier tragenden Weibchen. Der Kalikokrebs überträgt – wie alle amerikanischen Flusskrebs-Arten – den Erreger der Krebspest, ohne daran selbst unter normalen Bedingungen ernsthaft zu erkranken. Werden einheimische Flusskrebse damit infiziert, ist ein dramatisches Sterben vorprogrammiert. Darüber hinaus ist der Kalikokrebs gegenüber anderen bei uns vorkommenden Flusskrebs-Arten ziemlich aggressiv. Kalikokrebse dürfen daher auf keinen Fall weiterverbreitet werden. Insbesondere sollten sie nicht in Gartenteiche eingesetzt werden, denn von dort können sie leicht entkommen.
Weitere Informationen zur Tagung finden Sie auf http://www.ph-karlsruhe.de/kaliko und zur Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg auf http://www.stiftung-naturschutz-bw.de
Prof. Dr. Andreas Martens, Leiter des Instituts für Biologie und Schulgartenentwicklung an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe: andreas.martens@ph-karlsruhe.de
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