Plastik: Mehr Kreislauf gegen die Krise gefordert
„Wir brauchen Innovationen auf unterschiedlichen Ebenen. Neben neuen Technologien brauchen wir auch neue Geschäftsmodelle, um Kunststoffe im Kreislauf zu führen. Auch wenn es noch offene Fragen gibt, die Zeit zum Handeln ist gekommen.“ – Dieses Fazit zog Dr. Maximilian Hempel, Abteilungsleiter Umweltforschung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), am Ende einer dreitägigen Veranstaltung der DBU im niedersächsischen Loccum, bei der das weltweite Plastikproblem im Mittelpunkt stand. Prof. Dr. Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts (Bremerhaven) und DBU-Umweltpreisträgerin 2018, gab vor rund 120 Teilnehmern zu bedenken, dass Meere und Ozeane Klimawandel, Überfischung, Versauerung und Plastikmüll ausgesetzt seien.
„Alles, was wir an Land tun, hat Konsequenzen für das Meer“, so Boetius. Die Ozeane seien schon bis zum Nordpol und bis hinunter in die Tiefsee mit Plastik belastet. Beim großräumigen Einsammeln von Plastik aus den Meeren bestehe ein hohes ökologisches Schadenspotenzial.
5,4 Kilogramm Kunststoff landen pro Kopf und Jahr in der Umwelt
Deutlich gemacht wurden bei der DBU-Sommerakademie, die in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Loccum und dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT (Oberhausen) durchgeführt wurde, die besorgniserregenden Fakten: Drei Viertel des Meeresabfalls bestünden aus Kunststoff.
In Spitzbergen nahe dem Nordpol zum Beispiel, so Boetius, sei die Menge des angeschwemmten Mülls teilweise identisch mit dem Plastikaufkommen in chinesischen Flüssen. Zehn Prozent davon komme aus Deutschland – häufig aus der Fischerei. Plastik sei jedoch nicht nur in Ozeanen ein Problem, sondern auch an Land.
Jürgen Bertling vom Fraunhofer-Institut UMSICHT machte deutlich: „Jeder Deutsche gibt pro Jahr etwa 5,4 Kilogramm Kunststoffe in die Umwelt ab. Was wir davon sehen, ist etwa ein Viertel.“ Drei Viertel würden wir nicht sehen – Mikroplastik. Bertling: „Der Straßenverkehr ist auch das Sorgenkind der Kunststoffproblematik, nicht nur des Klimaschutzes.“ Mit jährlich rund 130.000 Tonnen Mikroplastik durch Reifenabrieb bedeute das einen Spitzenplatz.
Mehr Kunststoffe in den Kreislauf bringen
Der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies sprach von einer großen gesellschaftlichen Verantwortung, da „das heutige Tun noch viele Jahrhunderte lang Konsequenzen“ habe.
Auf die kritische Frage einer der sechs Schülerinnen der Ursulaschule (Osnabrück), warum die Politik nichts mache – die Schülerinnen interviewten die Redner für einen Filmbeitrag zur Veranstaltung –, verwies Lies auf das seit rund sechs Monaten gültige nationale Verpackungsgesetz. Es müsse gesetzliche Rahmenbedingungen geben, in denen die Unternehmen gleiche Wettbewerbschancen haben.
Eine Lösung sah er auch bei der Kreislaufwirtschaft: „Nichts darf mehr in den Umlauf gebracht werden, bei dem nicht klar ist, dass es wieder genutzt wird.“ Derzeit würden nur rund zwölf Prozent der Materialien stofflich verwertet. Auch hier will die DBU noch mehr als bisher aktiv werden, um innovative Projektideen von kleinen und mittelständischen Unternehmen aus der Kreislaufwirtschaft zu fördern.
Mit Verweis auf ein im April gestartetes Sonderprogramm für Startups sagte Hempel: „Junge, grüne Unternehmen sehen wir als vielversprechend an, um diesen großen gesellschaftlichen Wandel verstärkt in Gang zu setzen.“ Neue Geschäftsmodelle, die auf nachhaltige Digitalisierung setzten, könnten wertvolle Impulse setzen.
Für Verbraucher sind Gewohnheiten größte Hürde für Wandel
Weitere Lösungsansätze diskutierten die Teilnehmer in Arbeitskreisen. Neben dem Vermeiden von Kunststoffen, einem rechtlichen und verlässlichen Rahmen mit Zielvereinbarungen sei auch das Einpreisen der Umweltauswirkungen eine denkbare Stellschraube. Kunststoffe seien aber nicht per se zu verteufeln. Die Unternehmen müssten vorrangig qualitativ hochwertige und wiederverwertbare Produkte herstellen.
Schwer zu recycelnde Kunststoffe dagegen sollten vom Markt genommen oder besteuert werden. Verantwortlich für einen gesellschaftlichen Wandel seien sowohl die Gesetzgeber als auch die Hersteller und der Handel sowie die Verbraucher selbst. Für die Konsumenten stellten Gewohnheiten und Bequemlichkeit die größten Hürden für Verhaltensänderungen dar, was aber durchbrochen werden könne. Zum Beispiel, indem Exkursionen in Unverpackt-Läden angeboten würden.
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