Tagung BfN und BDLA zur Zukunft der Eingriffsregelung
Am 1. März ist das neue Bundesnaturschutzgesetz in Kraft getreten, das eine Reihe von Änderungen auch zur naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung enthält: U.a. sind Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen rechtlich künftig gleich gestellt und erstmals werden Ersatzzahlungen sowie Regelungen zur Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen (Flächenpools, Ökokonto) bundesweit in das Gesetz aufgenommen.
Welche praktischen Konsequenzen sich aus den neuen rechtlichen Regelungen ergeben, wollen heute 250 Fachleute aus dem ganzen Bundesgebiet auf der Tagung „künftig kreativ kompensieren“ analysieren, die das Bundesamt für Naturschutz (BfN) gemeinsam mit dem Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (bdla) im Wissenschaftszentrum Bonn durchführt.
„Mit der Neuregelung verbindet sich eine weitere Flexibilisierung bei der Bewältigung von Eingriffsfolgen, die dazu dienen soll, sowohl Freiräume für planerische Ansätze, beispielsweise in Flächenpools, zu schaffen und andererseits den Flächendruck in unmittelbarer Nähe zum Eingriffsort zu minimieren. Dass der Gesetzgeber dabei weiter am Vorrang der sogenannten Realkompensation vor einer Geldzahlung festgehalten hat, hat seinen guten Grund. Denn über eine sinnvoll kreative wie sachgemäße Umsetzung entsprechend ausgestalteter Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen können eine ganze Reihe von Synergien und Win-Win-Situationen mit anderen Belangen realisiert werden,“ stellte einleitend BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel fest“. So lassen sich über die Bündelung von Kompensationsmaßnahmen in sogenannten Flächenpools, wie sie etwa in Brandenburg landesweit auf Naturraumebene realisiert werden, großräumige komplexe Maßnahmen umsetzen, die ansonsten für den Naturschutz nicht ohne weiteres machbar wären. Sinnvoll gelagerte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen können beim Aufbau von Biotopverbundsystemen helfen, wie sie angesichts des Klimawandels zunehmend erforderlich werden, um Wanderungen von Arten zu ermöglichen. Im Wasserbau kann mit Maßnahmen, die sich eigendynamisch ohne oder nur mit geringen Unterhaltungsaufwendungen entwickeln oder die die Durchgängigkeit von Gewässern verbessern, die europarechtlich gebotene Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie effektiv unterstützt werden. Und in landschaftlich reizvollen Gebieten wie dem Alpenraum oder in Mittelgebirgslagen erweist sich vielfach auch der Tourismus als Verbündeter und Profiteur entsprechender gestalteter Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Wesentlich ist zudem der Aspekt der Haftungsfreistellung: Unter Anwendung der Eingriffsregelung zugelassene Maßnahmen sind von einer späteren Sanierung von Umweltschäden, für die nach dem Umweltschadensgesetz ansonsten der Projektträger verantwortlich wäre, frei gestellt.
„Auch die in der Praxis tätigen Landschaftsarchitekten begrüßen es, dass mit dem neuen BNatSchG eine Zersplitterung des Naturschutzrechts vermieden werden konnte und im Ergebnis für die Eingriffsregelung ein bundesweit einheitlicher Rahmen steht, der zugleich die notwendigen flexiblen Anwendungsmöglichkeiten lässt,“ ergänzte Kerstin Berg, Vizepräsidentin des bdla. Wie wichtig diese Flexibilität für die Praxis sei, zeige sich sowohl bei zahlreichen auch mit der Landwirtschaft praktizierten Kooperationsmodellen, etwa in Flächenpools oder langfristig angelegten Pflegeverträgen für Kompensationsmaßnahmen als auch bei der planerisch kreativen Gestaltung von Kompensationsmaßnahmen im urbanen Bereich, über die ein wesentlicher Beitrag zur Erhaltung städtischer Umweltqualität geleistet werde, ohne dabei das Prinzip einer funktional ausgerichteten Kompensation der eingetretenen Beeinträchtigungen außer Acht zu lassen.
Entgegen treten müsse man, so BfN-Präsidentin Jessel weiter, allerdings den häufig geäußerten Vorbehalten, die sich an die zusätzliche Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen durch Kompensationsmaßnahmen und eine ungenügende Abstimmung der Flächenauswahl knüpfen. Verschiedene exemplarische Auswertungen des Verhältnisses von Eingriffs- zu Kompensationsmaßnahmen zeigten, dass man nur in Ausnahmenfällen, d.h. bei besonders schwerwiegenden Beeinträchtigungen und in besonders empfindlichen Landschaftsräumen, an ein Verhältnis von 1 : 1 herankomme; in der Regel liege dieses deutlich darunter. Bei der Diskussion um die Inanspruchnahme von Flächen für Zwecke der Kompensation darf zudem die primäre Ursache für den anhaltenden Flächenentzug nicht vergessen werden: Die anhaltend hohe Flächeninanspruchnahme für Siedlungs- und Verkehrsflächen, durch die sowohl der Naturschutz als auch die Landwirtschaft gleichermaßen betroffen sind. „Vom Ziel, die tägliche Flächeninanspruchnahme für Siedlung und Verkehr auf 30 ha pro Tag zu reduzieren, das sowohl die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie als auch die Nationale Strategie der Bundesregierung zur Biologischen Vielfalt vorgeben, sind wir noch weit entfernt“, betonte BfN-Präsidentin Jessel. „Indem sie dem Vermeidungsaspekt Priorität einräumt und sodann gezielt die eintretenden Beeinträchtigungen kompensiert, kann die Eingriffsregelung bei konsequenter Anwendung einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Flächeninanspruchnahme und ihrer Auswirkungen leisten und ist damit heute zukunftsfähiger denn je.“
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