WM-Euphorie: Fans haben gefühlte 500 Euro mehr in der Tasche

Anderthalb Wochen vor der WM sowie am Tag nach jedem deutschen Spiel hatte das Meinungsforschungsinstitut Infas im Auftrag der Bonner Forscher je 400 zufällig ausgewählte Erwachsene interviewt. Die Befragten sollten sich zu ihrer persönlichen wirtschaftlichen Situation sowie zur aktuellen ökonomischen Lage der Bundesrepublik äußern. Außerdem sollten sie angeben, wie sie selbst (bzw. Deutschland allgemein) in einem Jahr wirtschaftlich dastehen würden.

Rosarote Brille

Das Ergebnis überraschte in seiner Deutlichkeit selbst die Experten: „Gerade nach dem gewonnenen Viertelfinalspiel gegen Argentinien sowie gegen Portugal um Platz 3 sahen die Befragten ihre aktuelle wirtschaftliche Lage viel rosiger als vor Beginn der WM“, sagt Professor Dr. Armin Falk. Zusammen mit seinen Kollegen Dr. Thomas Dohmen, Dr. David Huffman und Dr. Uwe Sunde konnte der Bonner Ökonom sogar die Stärke der rosaroten Brille berechnen: Wer während der WM interviewt wurde, beurteilte seine ökonomische Situation im Durchschnitt ähnlich gut wie jemand, der vor der WM befragt worden war, aber über ein knapp 500 Euro höheres Netto-Haushaltseinkommen verfügte.

Bei der Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Lage sowie der zukünftigen Entwicklung beobachteten die Forscher einen ähnlichen Trend: Während der WM waren die Urteile deutlich positiver. „Die Zufriedenheit mit der Regierung stieg in dieser Zeit dagegen nicht, und auch an der objektiven Situation hatte sich nichts geändert“, betont Falk. „Wie sollte die Tatsache, ob der Ballack nun ein Tor schießt oder nicht, daran auch etwas ändern?“

Macht der Psychologie

Vielleicht erklären die Ergebnisse auch zumindest teilweise, warum das Wirtschaftswachstum hierzulande momentan überraschend stark an Fahrt gewinnt. „Zwar ist der direkte ökonomische Effekt der WM, beispielsweise durch gestiegene Einnahmen der Gastronomie oder die höhere Nachfrage nach Flachbildschirmen, wohl minimal“, sagt Falk. „Wenn aber Millionen Menschen in Deutschland aufgrund einer optimistischen Grundstimmung konsumfreudigere Entscheidungen treffen und mehr investiert wird, kann man sich durchaus vorstellen, dass daraus tatsächlich ein zusätzlicher Wachstumsschub entsteht.“ Der wirtschaftliche Optimismus würde sich praktisch im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung nachträglich legitimieren.

Ob die gute Stimmung während der WM tatsächlich langfristige Effekte hat, bleibt abzuwarten. Professor Falk: „Das natürliche Experiment 'Fußball-WM' zeigt aber auf jeden Fall eindrucksvoll, wieviel Macht scheinbar irrelevante Ereignisse auf kollektive ökonomische Wahrnehmungen und Erfahrungen haben können.“

Kontakt:
Professor Dr. Armin Falk
Universität Bonn
Telefon: 0228/3894-112
E-Mail: Falk@iza.org

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Frank Luerweg idw

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